Strafzinsen zwingen zum umdenken


Ära der Strafzinsen beginnt: Wer sein Vermögen retten will, muss radikal umdenken

Achtung, dieser Beitrag verlangt ein hohes Maß an Konzentration und Bereitschaft, sich mit dem Thema ernsthaft auseinandersetzen zu wollen. Wir sind in unserer gegenwärtigen Gesellschaft im Allgemeinen überfordert und reizüberflutet, es funktionieren nur kurze aussagefähige Texte und Bilder, damit in wenigen Sekunden die gewünschte Information transportiert wird. All das liefert nachfolgender Inhalt nicht.

Immer mehr Banken verlangen Strafzinsen. Mit der Folge: Unsere Ersparnisse schrumpfen. Wer sein Vermögen retten will, muss radikal umdenken – und auf Aktien und Aktienfonds setzen.

Mit dem Geldanlegen ist das bei den Deutschen so eine Sache. Wer sich damit nicht lange beschäftigen wollte, parkte seine Ersparnisse bislang einfach bei der Bank: Sparkonto, Staatsanleihen, vielleicht ein Rentenfonds. Sicherheit ging den meisten vor, die Rendite kam automatisch.

Doch im vierten Jahr des Nullzinses dämmert vielen, dass es so nicht weitergehen kann. Denn Banken und Staaten zahlen keine Zinsen mehr. Stattdessen erheben sie immer öfter sogar eine Strafgebühr fürs Ersparte. 30 deutsche Banken und Sparkassen verlangen mittlerweile von ihren Privatkunden eine Geldbuße von 0,4 Prozent, wenn sie mehr als 100.000 oder 500.000 Euro deponieren. Diese Strafzinsen kassieren kleine Institute, aber auch große wie etwa die Berliner Sparkasse, die Frankfurter Volksbank oder die Hamburger Sparkasse. (Übersicht auf Biallo.de)

Und es dürften schon bald mehr werden. Denn die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Strafzinsen weiter erhöht: von 0,4 Prozent auf 0,5 Prozent. Für alle Kreditinstitute, die Geld dort lagern.

Damit zwingt die EZB noch mehr Banken dazu, diese Negativzinsen an ihre Kunden weiterzureichen. Womöglich auch schon bald für Guthaben unter 100.000 Euro. Bereits voriges Jahr zahlten die deutschen Banken und Sparkassen 2,4 Milliarden Euro Strafzinsen an die EZB. Steigt diese Zwangsabgabe weiter, wächst auch der Druck auf die Kreditinstitute.

Erste kleinere Institute wie die Deutsche Skatbank und die Sparkasse Rotenburg-Osterholz haben den Strafzins bereits erhöht. Auch bundesweite Anbieter wie die Commerzbank denken über Strafzinsen für vermögende Kunden nach. Insgesamt rechnen 40 Prozent der kleinen und mittelgroßen Banken auf mittlere Sicht damit, Strafzinsen zu erheben, ergibt eine Umfrage von Bundesbank und Bankenaufsicht (BaFin). Als Alternative Lösung sehen die Institute auch gestaffelten Kontoführungsgebühren, damit das Wort Strafzins umgangen wird.

Die Ära der Strafzinsen erzwingt ein anderes Sparen

Es ist die wohl größte Umwälzung in der Finanzbranche. Wenn Sparer von Banken kein Geld mehr für Erspartes bekommen, sondern dafür sogar bezahlen müssen, stellt das ein jahrhundertealtes Geschäftsprinzip völlig auf den Kopf. Wenn nicht gar das gesamte Wirtschaftssystem.

Die meisten Anleger müssen darauf reagieren und ihr Anlageverhalten radikal verändern. Beim „neuen Sparen“ geht es nicht mehr um maximale Sicherheit, um Festgeld, Tagesgeld und Sparbuch. Wer sein Erspartes künftig mehren will, kommt an Aktien, Aktienfonds und Sparplänen nicht mehr vorbei. Denn nur die bringen langfristig Rendite. So stieg etwa der Deutsche Aktienindex (Dax) in den vergangenen 20 Jahren um gut 75 Prozent. Und dies trotz aller zwischenzeitlichen Börsencrashs – so etwa im Jahr 2008, als der Dax um 41 Prozent einbrach.

Trotzdem sind viele Sparer immer noch skeptisch: Eignen sich Aktien überhaupt für mich? Kenne ich mich da nicht viel zu wenig aus? Und sind die Risiken nicht trotzdem viel zu hoch?

„Geldanlage war noch nie so einfach wie heute!“, sagt Philipp Vorndran, Kapitalmarktstratege der angesehenen Vermögensverwaltung Flossbach von Storch. „Denn in Zeiten ohne Zinsen bleiben nur noch Sachwerte interessant.“ Das sind vor allem solide Aktien, mit denen sich Anleger an starken Unternehmen beteiligen und somit Rendite erzielen können.

Die „neue“ lukrative Anlageform heißt: Aktienfonds

Experten raten Privatanlegern allerdings, nicht in Einzelaktien zu investieren, sondern in Aktienfonds oder Aktienindexfonds. Der Vorteil: Die Sparer müssen sich nicht mehr mühsam selbst die besten Einzelaktien heraussuchen. Sie kaufen sich stattdessen in einen Fonds ein, der Dutzende erfolgreicher Unternehmen bündelt. Aus Deutschland, Europa oder der ganzen Welt. Viele dieser Fonds eigenen sich auch für einen monatlichen Sparplan – ab 25 oder 50 Euro.

Lösung dafür sind unsere Digitale RoboAdvisor-Strecke oder der steueroptimierte Policenmantel (Police schlägt Depot).

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Indexfonds sind attraktiv. Sie kosten viel weniger Kaufgebühren als klassische Aktienfonds, die aufwendig nach möglichst lukrativen Einzelaktien fahnden. Stattdessen bilden Indexfonds einen Aktienindex nach, wie beispielsweise den deutschen Leitindex Dax mit den 30 größten börsennotierten Unternehmen oder den US-amerikanischen Dow Jones (ebenfalls 30 Konzerne). Diese an der Börse gehandelten Fonds (Exchange Traded Funds, ETFs) sind transparent, leicht zu verstehen und kostengünstig. Die Fondsgesellschaften verlangen im Schnitt nur circa 0,37 Prozent Gebühren pro Jahr (laufende Kosten für einen Aktien-Indexfonds).

Dennoch aufgepasst – Studie missbräuchliche Nutzung von ETF in Privathaushalten

Die Strafzinsphase könnte bis ins Jahr 2025 andauern

Daten der Deutschen Wertpapierservice Bank (DWP Bank) zeigen, dass sich die Zahl der ETF-Sparpläne 2018 verdoppelte. Nicht ohne Grund: Wer Anfang 2015 in Aktien und Immobilien anlegte, erzielte bis Mitte dieses Jahres 15 Prozent Rendite. Das zeigt der Vermögenspreisindex von Flossbach von Storch. Wer dagegen sein Geld auf dem normalen Girokonto parkte, verlor real sechs Prozent.

Für Sparer und andere Einsteiger eignen sich vor allem jene Aktienindizes, die erfolgreiche Unternehmen europaweit oder sogar weltweit einsammeln. Im MSCI-World-Index beispielsweise stecken mehr als 1600 Konzerne weltweit, im Stoxx Europe 600 europäische Firmen aus 17 Ländern und im Stoxx Global Select Dividend 100 Firmen aus Amerika, Asien, Europa und Australien, die traditionell eine hohe Dividende ausschütten.

Aktien statt Sparkonto – das ist die Formel für die Strafzins-Epoche. Und wie lange die dauern wird, ist völlig unklar. „Wir rechnen nicht mit einer Wende beim Leitzins in den kommenden fünf Jahren“, sagt Marija Kolak, Präsidentin des Bundesverbands der Deutschen Volks- und Raiffeisenbanken (BVR). Damit werde es für Banken „immer schwerer, die angemessene Profitabilität im Kundengeschäft sicherzustellen“. Und der baden-württembergische Sparkassenpräsident Peter Schneider ist sicher: „Wenn dieses Zinsniveau auf einer langen Achse fortgeschrieben wird, dann wird der betriebswirtschaftliche Druck so groß, dass sich niemand mehr Negativzinsen entziehen kann.“

Niemand. Also auch nicht die 57 Millionen deutschen Sparer. Sie legen im Schnitt traditionell jeden zehnten Euro zur Seite, um für schlechte Zeiten vorzusorgen. Meist auf Konten und Sparbüchern. Dort bunkern sie satte 2,45 Billionen Euro – fast 40 Prozent des privaten Finanzvermögens, wie aus Zahlen der Deutschen Bundesbank hervorgeht.

Theoretisch könnten auf jeden gesparten Euro Strafzinsen entfallen. Nicht nur 0,5 Prozent, sondern auch deutlich mehr. Davon ist der Wirtschaftswissenschaftler Thorsten Polleit überzeugt. „Die EZB wird den Leitzins in den kommenden sechs Monaten auf etwa minus ein Prozent absenken. Die Banken in der Euro-Zone werden vermutlich auf breiter Front Negativzinsen für Sicht-, Termin- und Sparguthaben erheben.“

Schneller als erwartet, würde so aus einem Gut-Haben ein Schlecht-Haben. „Der Negativzins frisst sich in unsere Gesellschaft“, warnt Reinhold Rickes, Chefvolkswirt des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV).

Reihenweise erhöhen die Banken jetzt ihre Gebühren

Das alarmiert auch die Politik. CSU-Chef Markus Söder will Banken untersagen, von Millionen Anlegern mit weniger als 100.000 Euro Strafzinsen zu kassieren. „Wir brauchen ein gesetzliches Verbot in Deutschland, das verhindert, dass Negativzinsen umgelegt werden auf Kleinsparer“, fordert der bayerische Ministerpräsident

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) lässt prüfen, ob ein solches Verbot verfassungsrechtlich möglich ist und warnt die Geldhäuser vor Minuszinsen für Kleinsparer: „Ich habe den Bankvorständen sehr klar gesagt, dass ich glaube, dass es ein ziemlich schlechter Einfall wäre, jetzt für Millionen Sparerinnen und Sparer mit Negativzinsen zu arbeiten.“

Dabei sind Strafzinsen nicht die einzige Möglichkeit der Banken, ihre Kunden abzukassieren. Es geht auch über höhere Preise für Konten, Überweisungen und andere Bankgeschäfte. Schon heute zahlen die Kunden jedes Jahr vier Milliarden Euro allein an Grundgebühren.

Im laufenden Jahr „hat knapp ein Fünftel der Banken und Sparkassen die Kontoführungsgebühren erhöht“, analysiert das Finanzportal Biallo.de. Dieser Trend werde sich in den nächsten Monaten fortsetzen. Aktuell zählt die Stiftung Warentest nur noch 22 echte Gratiskonten – darunter die Online-Banking-Marktführer ING und DKB. Die Zahl dürfte weiter sinken. Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing sagt: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Banken, die aktuell ein kostenloses Konto anbieten, dies angesichts der Zinspolitik die nächsten Jahre oder Jahrzehnte durchhalten.“

Als wären Minuszinsen und Gebührenexzesse noch nicht genug, drängen Banken und Bausparkassen ihre Kunden auch aus lukrativen Altverträgen. So kündigte die Stadtsparkasse München vergangene Woche 28.000 langjährigen Prämiensparern, weil sie die Zinsen für die Verträge nicht mehr erwirtschaften kann.

Was Anlegern auf Bankkonten mit Strafzinsen droht, ist bei Staatsanleihen fast schon üblich. So warfen Ende September die 30 Jahre laufenden deutschen Staatsanleihen nur noch minus 0,14 Prozent Rendite ab. Wer also der Bundesrepublik etwas leiht, zahlt drauf. Unter Berücksichtigung der Inflation von etwa 1,4 Prozent, steigt der reale Verlust noch weiter.

„Heute weisen 3,8 Billionen Euro an Staatsanleihen in der Euro-Zone sowie weitere 1,14 Billionen Euro an Unternehmensanleihen negative Renditen auf“, sagt David Folkerts-Landau, Chefvolkswirt der Deutschen Bank. „So etwas hat es noch nie gegeben.“ Allein die deutschen Sparer erlitten so in den vergangenen zehn Jahren einen realen Kaufkraftverlust von 358 Milliarden Euro.

Deutsche Notenbankerin tritt aus Zinsprotest zurück

Angesichts dieser Entwicklung ist in der Europäischen Zentralbank ein beispielloser Machtkampf ausgebrochen. Kürzlich erklärte EZB-Direktorin Sabine Lautenschläger ihren Rücktritt. Offiziell gibt es keine Begründung. Allerdings heißt es im Umfeld der EZB, Lautenschläger habe den Kurs von EZB-Präsident Mario Draghi nicht länger mittragen wollen. Lautenschläger ist damit seit 2010 schon die dritte Deutsche, die aus Ärger über die EZB-Geldpolitik vorzeitig ihr Amt aufgibt.

Der ehemalige EZB-Präsident hat Draghi den Strafzins eingeführt und zuletzt noch erhöht. Er hat die Finanzmärkte außerdem mit neuen Milliarden geflutet – was die Renditen unter anderem von Staatsanleihen weiter ins Minus drückt.

Das Prekäre für Sparer: Ein Ende dieser Geldpolitik ist nicht absehbar. Draghis Nachfolgerin Christine Lagarde, die ab November die EZB führt, hat vor EU-Abgeordneten klargemacht, dass sie am ultralockeren Kurs festhalten will. Deshalb gibt Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer einen für herkömmliche Sparer pessimistischen Ausblick: „Negative EZB-Zinsen bleiben Normalität.“

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